Zeitenwende
Sonntag, 5.3.23. -
Ein Jahr ist es nun her, dass der Bundeskanzler dieses Wort in den großen Raum des Bundestages stellte und dafür viel Applaus erntete: Zeitenwende.
Wir erleben in diesen Zeiten einiges, was die meisten von uns so noch nicht kannten: soziale Distanzierung dank Corona, Ukrainekrieg, Inflation, teure Energie, zahlreiche Geflüchtete, Klimawandel. Aber was heißt das dann: Zeitenwende? Wandelt sich unser Weltbild in etwas Neues, ein Aufbruch, wo wir neue Wege entdecken, um die großen Herausforderungen zu meistern, vor denen wir stehen? Oder erleben wir eine Kehrtwende, eine Rolle rückwärts in Zeiten, die wir für überwunden geglaubt hatten? Sind es überkommene Weltbilder, die da wieder hochpoppen mit Extremismus, Fremdenhass, Militarismus, Nationalismus? Werden wir da mit großen Worten auf die zunehmenden Problemlagen eingestimmt, während im Hintergrund die Strippen wie bisher weitergezogen werden?
Wenn ich zufrieden bin mit meinem Leben und meinem Umfeld, meiner Gesellschaft, kann das Wort Zeitenwende aufschrecken. Werde ich verlieren, was mir lieb und teuer ist: den Lebensstandard, den ich mir erarbeitet habe – Gewohnheiten, die mir Sicherheit geben – das Weltbild, nach dem ich mein Leben ausrichte? Alles, woran ich glaube und was mich ausmacht, soll ich das für eine ungewisse Zukunft loslassen? Da kann das Reden von der Zeitenwende Angst und Unsicherheit auslösen.
Wenn ich mir um die Zukunft Sorgen mache, verbinde ich Hoffnung mit dem Wort von der Zeitenwende. Dinge sollen sich zum Besseren wenden: wirtschaftliche Ausbeutung von Menschen und Natur, zunehmender gesellschaftlicher Egoismus und Gleichgültigkeit. Bei vielen Themen wie die Bekämpfung von Klimawandel, Hunger, Krieg und Flucht (um nur einige Punkte zu nennen) wünsche ich mir in unserer Gesellschaft konsequentes Umdenken und entschlossenes Handeln.
Ich merke, dass beide Haltungen für mich zutreffen. Einerseits ist mir klar, dass sich vieles ändern muss, wenn wichtige Zukunftsfragen gelöst werden sollen. Andererseits kann ich mir nicht so recht vorstellen, wie mein Leben in dieser Zukunft aussehen wird. Aber weder Panik noch Gleichgültigkeit sind für mich der richtige Weg. Ich will wachsam bleiben, mich aus vielfältigen Quellen über Hintergründe informieren, im Austausch bleiben. Und als Christin darauf vertrauen, dass mein Glaube mir hilft, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten, nicht den Mut zu verlieren und einen guten Weg für mein Handeln zu finden.
Hiltrud Bibo