Spirituelle Orgelwanderung



Die Organisten Andreas Karthäuser, Willibald Bibo und Philippe Gugerel brachten die Instrumente zum Klingen und besonders Willibald Bibo konnte interessante Hintergründe zu den Instrumenten und ihrer Geschichte berichten. Das gesellige Beisammensein, das sich im Pfarrheim anschloss, bildete den würdigen Rahmen für die Ehrung von Willibald Bibo, der seit 50 Jahren Kolpingmitglied ist.
Die Orgel war das Instrument des Jahres 2021 und hat speziell in der kirchlichen Liturgie einen hohen Stellenwert, strich Kolping-Präses Hans-Jürgen Siebers heraus. Das habe sich besonders in der Coronazeit gezeigt, in der die „Königin der Instrumente“ über weite Strecken hinweg der einzige „Begleiter der Spiritualität“ gewesen sei, da Chören und Gottesdienstbesuchern das Singen untersagt war. Das Tasteninstrument habe eine 500 Jahre lange Tradition in Kiedrich und das gotische Weindorf könne mit einer beachtlichen Anzahl von sieben Orgeln aufwarten, fügte Tania Klein hinzu.
Der Kirchenmusiker Andreas Karthäuser freute sich über den Besuch der katholisch geprägten Kolpingfamilie, um die Orgel der evangelischen Kirche kennenzulernen. Wobei bei Kolping Mitglieder aller christlichen Konfessionen willkommen sind. Die Freude war auf beiden Seiten umso größer, weil der Auftakt in der Gustav-Adolf-Kirche kurz zuvor noch am seidenen Faden hing. Die Reparatur des defekten Orgelmotors ging dann jedoch doch schneller als erwartet und so konnte Karthäuser, Organist der Triangelis-Gemeinde Eltville-Erbach-Kiedrich, die fünf Manuale der Orgel erklingen lassen. Das Instrument stammt von der Orgelbaufirma Günter Hardt & Sohn. Die Orgelbauer aus Weilmünster-Möttau haben auch den Zuschlag für die Renovierung der Orgeln in St. Peter und Paul Eltville erhalten.
EINE DER ÄLTESTEN SPIELBAREN ORGELN
Vor über 60 Jahren spielte Kolpingmitglied Willibald Bibo das erste Mal an der Orgel der Kiedricher St. Valentinus-Kirche. Ein außerordentliches Instrument, das seit fünf Jahrhunderten im musikalischen Dreiklang mit den vier Glocken im Kirchturm der gotischen Kirche und den Kiedricher Chorbuben zu hören ist. Lange Zeit galt sie als älteste spielbare Orgel – eine Aussage, die so nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Was der herausgehobenen historischen Bedeutung der gotischen Orgel allerdings keinen Abbruch tut und sie eine der ältesten spielbaren Orgeln in Deutschland bleibt, wie Willibald Bibo erläuterte. Ein Umstand, den die Kiedricher wie so vieles Baronet John Sutton (1820-1873) verdanken. Die Anfang des 16. Jahrhunderts gebaute Orgel war zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgrund technischer Mängel nicht mehr spielbar und galt als nicht reparierbar. Aus Geldmangel unterblieb allerdings die Anschaffung einer neuen Orgel.
EDLER UND UNVERWECHSELBARER KLANG
Ein Glücksfall wie sich später herausstellte. Auf seiner zweiten Rheinreise kam Sutton nach Kiedrich und verliebte sich nachgerade in den Ort. Selbst guter Klavier- und Orgelspieler erkannte der englische Adelige den Wert der Orgel und ließ sie vom Orgelbauer Louis Benoit Hooghuys in Brügge auf eigene Kosten reparieren. So wurde die Orgel mit nahezu 1.000 Pfeifen in 22 Registern verteilt auf zwei Manuale in beinahe ursprünglichem Zustand erhalten, erklärte der ehemalige Gymnasiallehrer Bibo. Deshalb zeichnet neben dem hohen Alter auch die sogenannten, bis ins 17. Jahrhunderte übliche mitteltönige Stimmung das Instrument als Besonderheit aus. Das gibt der Kiedricher Orgel einen besonders edlen und unverwechselbaren Klang, zeigte Bibo, der an der Musikhochschule Mainz Schul- und Kirchenmusik studiert hat, auf. Wovon sich die Teilnehmer anschließend mit eigenen Ohren überzeugen konnten, als Willibald Bibo an der Orgel improvisierte und seinen Zuhörern ein kleines Konzert zuteil werden ließ.
ORGELTRADITION LEBT BIS HEUTE
In gleicher Weise hatte der Kantor der St. Jakobus-Pfarrei in Rüdesheim zuvor bereits die transportablen Orgeln in der Michaelskapelle und im Chor der St. Valentinus-Kirche in Wort und virtuosem Spiel vorgestellt. Für diese Instrumente gibt es ebenso wie für die große Orgel in St. Valentin keine schriftlichen Quellen über die Entstehung. Anhaltspunkte zur langen Orgeltradition geben jedoch Quellenzeugnisse über die Bezahlung eines Organisten und eines Calcanten (Balgtreter) von 1533. Mit Antonius Maius taucht 1595 erstmals ein festangestellter Organist namentlich in den Quellen auf. Die Reihe der Kiedricher Organisten setzt sich bis heute fort und hat nun als „jüngsten Sproß“ Philippe Gugerel. Der 19-jährige ist seit 2010 Kiedricher Chorbub und hat es im Orgelspiel zu früher Meisterschaft gebracht. Er begleitet den Chor beim Lateinischen Choralhochamt und war dieses Jahr bei der Erstkommunion in Kiedrich an der „großen Orgel“ zu hören. Bei der Kolping-Orgelwanderung setzte er an der Orgel in der Chorschule den musikalischen Schlussakkord.
(Lars Kink) - noch mehr Fotos auf facebook "Kolpingfamilie Kiedrich"