Noch eine Woche bis Weihnachten. Endspurt. Wir sind auf dem Weg, genauer gesagt, auf der Zielgeraden. Nur noch diese letzte anstrengende Woche, dann ist hoffentlich Ruhe angesagt: Schöne und entspannte Zeit mit Familie und Freunden, gemeinsames Feiern, Spielen und Singen.
Ich denke, eine Woche vor Jesu Geburt waren auch Josef und Maria auf dem Weg. Man kennt das Bild: Josef führt einen Esel, auf dem die hochschwangere Maria sitzt, durch die Berge von Judäa in Richtung Bethlehem. Etwa 140 km lang ist der Weg von Nazareth nach Bethlehem. Heute fährt man das mit dem Auto in wenigen Stunden. Für Maria auf dem Esel und Josef zu Fuß muss das eine weite und anstrengende Reise gewesen sein. Ich kann mir vorstellen, dass sie sehr erschöpft in Bethlehem ankamen und nichts dringender brauchten als Ruhe und eine warme Unterkunft.
Aber ich kann mich nicht wirklich in die Situation der Heiligen Familie hineinversetzen. Immerhin habe ich eine Wohnung, in die ich abends heimkehre, die warm ist (vielleicht nicht ganz so warm wie früher, weil wir Heizkosten sparen), wo ich finde, was ich brauche, und wo ich meine Ruhe haben kann. Ein Luxus, den die ca. 100 Millionen Menschen, die aktuell auf der Flucht vor Gewalt und Naturkatastrophen sind, nicht kennen.
Ich frage mich, ob ich so leben könnte – in einer eiskalten, unbeheizten Wohnung im ukrainischen Winter, einem nassen Zelt in einem Flüchtlingslager, auf einer kleinen Anhöhe im überschwemmten Pakistan oder als obdachlose Person unter einer deutschen Brücke. Ohne Dach überm Kopf und ohne all die Dinge, an die ich mich gewöhnt habe.
Ich erkenne, dass ich auch ohne große Geschenke unter dem Weihnachtsbaum überreich beschenkt bin, und fühle große Dankbarkeit. Und wenn ich auch angesichts steigender Kosten an einigen Dingen spare, ich spare nicht bei Spenden. Denn die, die darauf angewiesen sind, brauchen ja nicht weniger – nur, weil für mich das Leben teurer wird.
Hiltrud Bibo