Appell an die Bundesregierung
Angesichts vielfältiger Herausforderungen darf der hohe Investitionsbedarf nicht verkannt werden. Im Rahmen der Verhandlungen zur Aufstellung des Bundeshaushaltes für das Jahr 2025 treten erneut massive Differenzen zwischen SPD, Grünen und FDP zutage. Auf der einen Seite wird eine Lockerung der sogenannten Schuldenbremse gefordert, insbesondere um dem gestiegenen Investitionsbedarf in bestimmten Bereichen gerecht zu werden. Auf der anderen Seite wird auf die Einhaltung der Haushaltsdisziplin und den damit verbundenen Spardruck verwiesen.
Die jährliche Aufstellung des Haushaltsbudgets ist für jede Regierung eine entscheidende Hürde, um sich auf die Finanzierung sowohl laufender Ausgaben als auch langfristiger Projekte zu verständigen. Aufgrund divergierender Interessen gestaltet sich dies in einer Mehrparteienkoalition oftmals besonders schwierig. Das vergangene Jahr war bereits von langwierigen Haushaltsberatungen geprägt, die auch infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zur Unzulässigkeit des Klima- und Transformationsfonds noch weiter erschwert wurden. Dennoch kam es letztlich zu einer Verständigung zwischen den Partnern der Ampel-Koalition. Im Hinblick auf die intendierte sozialökologische Wende ist die Regierung aber hinter den selbstgesteckten Zielen zurückgeblieben.
Der Bundeshaushalt: Im Spannungsfeld zwischen öffentlichen Schulden und Investitionen
Mit einer Schuldenquote von weniger als 65 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung steht Deutschland im internationalen Vergleich solide da, auch wenn der aktuelle Wert leicht über dem Maastricht-Kriterium der Europäischen Union von 60 Prozent liegt. Mit Blick auf geplante Zukunftsinvestitionen in den Bereichen Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur, nationale Sicherheit und Nachhaltigkeit wird von vielen Seiten daher eine offene Diskussion über die Ausgestaltung der Schuldenbremse gefordert, die 2009 durch Beschluss des Bundestages ins Grundgesetz aufgenommen wurde.
Das Kolpingwerk stellt fest, dass ein ausgeglichener Haushalt langfristig unerlässlich ist, um fiskalpolitische Stabilität zu gewährleisten. Zugleich wird daran erinnert, dass wichtige und zukunftsweisende Projekte nicht aus dem Blick geraten dürfen und ausreichend gegenfinanziert sein müssen. Angesichts einer aktuell stagnierenden Konjunktur kommt öffentlichen Investitionen kurzfristig zusätzliche Bedeutung zu, um durch Impulse eine rasche Rückkehr zu Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Dies bestätigen unter anderem das Institut der Deutschen Wirtschaft und die HansBöckler-Stiftung in einer gemeinsamen Bewertung, die eine behutsame Reform der Schuldenbremse vorschlägt.
Auf lange Sicht wird die Bundesregierung nicht nur an soliden Staatsfinanzen, sondern auch an ihrem Anspruch einer gelungenen Modernisierung Deutschlands gemessen, wie dies Bundeskanzler Olaf Scholz kürzlich betonte. Ein Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, unter anderem des ÖPNV im ländlichen Raum, gehört ebenso dazu wie die Schaffung bezahlbaren Wohnraums in den urbanen Zentren und eine moderne und digitalgestützte öffentliche Verwaltung, um nur einige Beispiele aus dem Koalitionsvertrag zu nennen. Ein Aufschub dringend notwendiger Modernisierungsprojekte würde langfristig noch deutlich höhere Kosten und gesteigerten Aufwand nach sich ziehen. Die lange hinausgezögerte Erneuerung des Schienennetzes der Deutschen Bahn dient als mahnendes Beispiel.
Auch die angesichts des Ukraine-Krieges und der damit verbundenen Bedrohung durch Russland eingeleitete „Zeitenwende“ in der Sicherheitspolitik bedarf einer auskömmlichen Gegenfinanzierung. Die Stärkung der Bundeswehr sowie die Wahrnehmung der Bündnisverpflichtungen in NATO und EU sind entscheidende Bausteine für die Sicherheit Deutschlands.
Nachhaltiges Wirtschaften braucht Zukunftsinvestitionen
Zu nachhaltigem Wirtschaften gehört nicht nur, zukünftigen Generationen solide öffentliche Finanzen zu hinterlassen. Es geht auch darum, eine moderne, zukunftsfähige und bezahlbare Infrastruktur in Stadt und Land, ein international wettbewerbsfähiges Bildungswesen von der frühkindlichen Bildung bis zur akademischen Ausbildung sowie eine gestärkte nationale Risikovorsoge zu schaffen, die eine Verteidigung des demokratischen Gemeinwesens gewährleisten. Die Prinzipien der katholischen Soziallehre – Personalität, Subsidiarität und Solidarität – sollten bei den anstehenden Entscheidungen handlungsleitend sein. Ferner ist bei den Haushaltsberatungen darauf zu achten, dass die soziale Ungleichheit im Land nicht verschärft wird.
Ein Gelingen wichtiger Zukunftsvorhaben kann populistischen Strömungen und extremistischen Parteien sowie der gesellschaftlichen Polarisierung entgegenwirken. Die Ergebnisse der EuropaWahlen haben eingehend gezeigt, dass Unzufriedenheit mit dem Status Quo die politischen Ränder stärkt. Vor diesem Hintergrund ruft das Kolpingwerk die Bundesregierung, aber auch darüber hinaus alle demokratischen Parteien, zu verantwortungsvollem Handeln auf, sowohl mit Blick auf eine langfristig solide Haushaltsführung als auch hinsichtlich einer Erfüllung des Investitionsbedarfs in wichtigen Bereichen.
Der Bundesvorstand des Kolpingwerkes Deutschland
Köln, 28./29. Juni 2024